Freitag, 26. Oktober 2012

22.Juni - Zugspitz Supertrail 2012

0500MESZ in Leutasch, grüner Raum, Bett 1. Die Sonne kommt hinter einem 2500er hervor und lacht mich an. Check, check, check...Alles Gut.
Ich rüttele den Typen im Nachbarbett wach und brülle ihm ein „Guten Morgen“ entgegen. Mit einem Blinzeln quittiert er: „O.k., du startest dann wohl, was?“...JA:-)
Heiße Dusche, Rucksack mit Pflichtausrüstung und allem anderen gepackt, Frühstück und ab geht’s. Alle ins TIV und wir fahren zum Start, der ebenfalls in Leutasch ist.


Da stehen noch 350 andere Verrückte. Einer nach dem anderen wird nach Pflichtausrüstung durchgecheckt und dann darf man den gesperrten Startbereich betreten. Nervosität steigt auf Level 11 von 10. Es läuft ACDC, wie bei jedem guten Lauf und ich beschließe: „Das wird ein guter Tag.“
Dominik und ich gehen sehr weit nach vorn. Ich kenne mich und meinen Körper sehr gut und bin mir über die möglichen Leistungen sehr bewusst. Ich denke, da genau gehören wir hin.


Punkt 09.00 Uhr folgt bei Hells Bells der Start und es geht los mit Highway to Hell. Na dann...los geht´s, die wilde Maus fährt ab, die nächste Fahrt geht rückwärts...Woohoo
Bis zum ersten Checkpoint bei km 11, laufen Dominik und ich ca. 15 Minuten hinter der Spitze. Sicher zu schnell. Gehen kommt nicht in Frage.
Dominik und ich werden von einem ca. 70-jährigen Läufer angesprochen, ob wir den Lauf Überleben wollen. Ja, wollen wir. Dann sollten wir es langsamer angehen lassen, er wisse wovon er spricht.
Mit einem Kopfnicken beschließen wir genau darauf zu hören und die Bergauf-Passagen in Zukunft zu gehen. Eine wirklich kluge Entscheidung, die mich durch den Tag bringt. Wir rennen mit dem alten Mann einen Wurzelpfad entlang. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Es dauert echt lange bis wir ihn abgehängt haben. Wenn ich 70 bin will ich genau so fit sein.

Das Wetter ist einfach ein Traum, besser geht es nicht. Das sieht man auch den Gesichtern der Teilnehmer an. Alle haben ein Lachen auf dem Gesicht und ich führe so viele positive Gespräche. Ich habe ja Zeit. Mein Ziel ist immer noch Überleben....und...naja...ICH WERDE IM HELLEN ANKOMMEN!

Der erste richtige Berg liegt vor uns. Eine weibliche Trailgams hat uns bergab so gnadenlos stehenlassen, jetzt arbeiten wir uns wieder ran, es lohnt sich. Der Weg wird irgendwie immer steiler. Rechts und links stehen uns Kühe im Weg. Meine Tochter würde sich hier so wohl fühlen. Das erste Mal kommt eine tiefe Emotion hoch also fange ich wieder an zu laufen.
Es wird noch steiler und ich merke, dass Dominik sein 24 Stunden Lauf von München noch in den Knochen steckt. Ich renne hinter ihm und fummele nebenbei schonmal den Ipod aus der Tasche. Kopfhörer rein und an ihm vorbei.
"Ich warte oben", brülle ich noch und drücke auf Play. Es läuft ACDC, Shoot to Thrill...Ahhhhhhhh......violettes Brikett...auf Geröll und Schotter geht es in Serpentinen auf den höchsten Punkt der Strecke. Es ist kalt, feucht, neblig und einfach geil...Brüllen, Foto, kurz warten, nochmal Brüllen, noch ein Foto und Sven und Dominik sind da.




Ich lasse sie bergab schon mal vorlaufen und genieße den Moment da oben ganz allein. Nach ein paar Minuten wird mir kalt und ich kann die anderen kaum noch sehen.
Flamme an! Ipod lauter! Bergab. Nach kurzer Zeit laufe ich auf die Gruppe mit Sven und Dominik auf. An einem Schneefeld sind sie mir irgendwie alle gerade im Weg. Kleiner Sprung und links vorbei über ein Geröllfeld und dann ist die Bahn frei.
"Ich warte unten", umgedreht habe ich mich nicht mehr, Bergablaufrausch. Schneefelder, Geröll und Schlamm. Ein grimmiger Trailrunner will mich nicht vorbeilassen. Ich warte auf den passenden Stein und springe an ihm mit einem lauten "Woohoohoohoooo" vorbei. Der Mann kann ja doch lachen:-) und er bleibt dran.
Auf dem Boden stehen auf einmal rechts und links Kameras. Also wieder springen und schreien. Hat das Spaß gemacht.



An ein Schlammfeld erinnere ich mich besonders. Der Schuhsohleneindruck von ca. 100 Salomon Speedcross 2 und 3 hat sich von oben nach unten quer, ca. 10m lang, in den Schlamm eingedrückt. Wo ist der Fotograf von Salomon. Ein geileres Werbebild kann ich mir nicht vorstellen. Der Schlammhang ist seitlich und steil. Von den 700 Läufern die hier durchmüssen haben sich sicher 99% auf den A.... gelegt. Ich war dabei.
Als es wieder sehr steil und trailig wird kommt mir der Chefredakteur und Herausgeber vom Trail-Magazin entgegen. Denis läuft natürlich bergauf. Bergab kann der sicher gar nicht. Wir schlagen ein, er wünscht mir Spaß und Erfolg und ich renne noch aufgekratzter die steilen Serpentinen bergab.
Unten erwartet mich eine Foodstation. Es gibt Kuchen, Suppe, Chilli mit Nudeln, Riegel, Früchte und High5Nutrition. Alles geht in meinen Körper rein.
Status: Unbesiegbar!


Nach ca. 20 Minuten Pause, in der ich gefühlt nur gegessen habe, laufe ich wieder los. Die anderen sind noch nicht da.
Jetzt rächt sich die Fressattacke an der Foodstation. Die einzige Gerade auf der ganzen Strecke. Ca. 8 km lang. Hälfte Forststraße, Hälfte Straße. Hier kann man richtig Zeit gutmachen. Ich nicht. Ich schleppe mich mit Kohlenhydratkoma durch das Leutaschtal zur Geisterklamm. Die Geisterklamm kann ich nicht genießen. Sicher ist die echt schön aber ich fühle mich absolut im Keller und quäle mich über den Asphalt.
Hinter der Geisterklamm ist die Foodstation km 35. Hey...über die Hälfte ist geschafft, ab jetzt geht es rückwärts...Viel wichtiger: Die Foodstation ist lila und hat Milka Aufdruck...SCHOKOLADE, KUCHEN, RIEGEL...ich weiß leider erst heute warum es mir an dem Punkt so schlecht ging, also habe ich mal wieder gegessen bis nichts mehr ging. War ja auch lecker.
Direkt im Anschluss folgt ein mächtiger Anstieg. Stöcke raus und los geht´s. Neben mir schleppen sich Läufer ohne Stöcke auf den Knien nach oben. Das sieht echt nach Qual aus. Mir geht´s anscheinend doch noch besser als den meisten hier. Das gibt Auftrieb und bringt mich nach oben.
Über Forstwege von Foodstation zu Foodstation. Zwischendrin lerne ich ein paar echt nette Leute kennen. Besonders hervorheben möchte ich hier Steve. Auch ein Trailrunner mit eigenem Internetblog
 - nebenbei mal Danke an dich, du bist einer der zwei Monsterblogger die mich endgültig hierzu gebracht haben. Einfach schön zu lesen und bedingungslos zu empfehlen www.uptothetop.de 

Nach Verlassen der Marathondistanz kommen immer mal wieder mächtig Emotionen in mir hoch. Ich kann die Alpspitze sehen und ich laufe straight auf die grün/graue Wand vor mir zu.
Dann kommt der Anstieg. Trail, Bäume, Serpentinen, Laufen nahezu unmöglich. Ich kämpfe mich in 15 Minuten Etappen den Berg im Wald hoch. Meine Pausen animieren auch andere einfach mal anzuhalten. Toll ist, wenn 3 Trailer ihre Höhenmeterangaben vergleichen. 3 Leute, 6 Anzeigen, 6 verschiedene Angaben. Hinterher der Spruch:"Ach Scheiß doch drauf, wir müssen ja eh hoch!" Auffi...
Von oben höre ich meinen Namen. Ich krieche gerade unter zwei Baumstämmen durch. Da, schon wieder ein Ruf...diesmal mit dem üblichen "Woohoo" hinterher. Brockenbahn gibt es hier nicht also bleibt nur noch eine Möglichkeit. Ja, Thorsten wartet im Hang zwischen ein paar Bäumen. Mit ihm gemeinsam laufe ich die letzten Meter diesen Trail hoch und sehe für das Gipfelfoto an der Foodstation wieder einigermaßen passabel aus. Ca. 18 km noch. Diese Foodstation muss ich noch einmal anlaufen. Jetzt geht es rauf und um die Alpspitze und dann sind es nur noch 12 von hier aus.

Foodstop VOR der Alpspitze

Rauf

Oben

Abwärts

Endlich wieder essen, nanu - hier war ich doch schonmal

Für diese knapp 6 km brauchen wir, inklusive 2 Pausen fast 2 Stunden. Ich hätte mich nicht hinlegen, zudecken und dabei vollfressen sollen. Es muss weitergehen. Wieder essen und jetzt geht´s bergab.
Ich kann nicht mehr reden. Der Ipod dröhnt irre laut aber ich will nix hören. Ich tanze den Trail nach unten. Voll aufgekratzt. Ich will auch nicht mehr telefonieren oder Fotos machen. Ich will einfach nur weiter. Steve rennt an mir vorbei und brüllt sich bergab.
Ein Fotograf! Stephan vom Trail-Magazin. Na, der ist hier auch bergauf gelaufen und genießt den langsamen Sonnenuntergang.



In einem letzten Aufbäumen sage ich es diesmal laut:"ICH WERDE IM HELLEN ANKOMMEN!" Das hatte ich morgens schon so beschlossen als ich die Stirnlampe nach ganz unten unter die komplette Pflichtausrüstung gesteckt habe. Mit dieser Manifestation nach außen setze ich mich einfach mal ein bisschen unter Druck-kann nie schaden...Check...Im Hellen ankommen.
Überall in den Bergen sind kleine Feuer mittlerweile an. Hier sitzt die Bergwacht und feiert "Zugspitze in Flammen"...das ganze Bild kann ich erst später von unten sehen, einfach schön. Die Jungs sind superfreundlich und lachen sich tot wenn ich ihnen zurufe, dass ich es im Hellen schaffe aber ich trotzdem dankbar bin, dass sie da sind.

Ab und an soll ich gemurmelt haben:"Wenn ich das Noch5km-Schild sehe dann beiße ich rein!"...Das Schild kommt, der Gedanke bahnt sich seinen Weg zur Handlung und wird ausgeführt.



Ein letzter steiler Abstieg und dann kenne ich die Strecke vom Vorabend. Höchstens noch 2 km. Ich hole nochmal alles aus meinem Körper raus. Das fühlt sich nicht mehr nach viel an aber das täuscht wohl.

Ach ja, es ist noch hell:-).

Raus aus dem Wald und rauf auf die Straße in Richtung Zivilisation.
Die ersten Häuser und auch die ersten Menschen. Alle sitzen in ihren Gärten und freuen sich über uns.
Das Lachen ist eingemeißelt und ich bin völlig überwältigt von allem hier. Kinder an der Straße die ihre Hände ausstrecken. Natürlich klatsche ich ab. Der Weg ist mit Teelichtern in Einmachgläsern markiert und führt in die Arena.

Es ist immer noch hell.

Letzte Kurve, das Ziel und DURCH mit einer Rolle...Woohoohoohoooo...Der Fotograf lacht sich kaputt und der "Detlef" der ein Matze ist wird nach 12:11:15 gefeiert.
Hinter mir kommt der zweite Ultratrailer ins Ziel. Ein gemeinsames Foto und dann muss ich einfach erstmal weinen....kann auch sein, dass ich das schon die ganze Zeit gemacht habe;-)...

Im Ziel steht Verpflegung. Ein Becher voll Blaubeerjoghurt wird von mir mit einem halben Becher salzigen Nüssen verfeinert und dazu gibt es heiße Suppe. Jetzt darf die Sonne untergehen und das macht sie auch.
Ich bin monsterglücklich aber auch total leer und voll zugleich.

Ach ja...Ich hatte ja Freitag Abend in einem Anfall von Größenwahn schon einen Termin zur Massage gemacht. 20.00 Uhr habe ich zwar nicht eingehalten aber ich geh einfach mal fragen. Bei 70km Fußweg bis zur Massagepraxis kann man sich ja wohl mal um ´ne Stunde verschätzen, oder?
Die Mädels erkennen mich wieder und nehmen mich sofort auf die Liege. Dann werde ich vom Outdoor-Physio-Team hervorragend massiert. Im Anschluss machen wir gleich noch ein paar Werbefotos mit einem Back-Foam-Roller für ihre Homepage. Toll:-)

Thorsten hat in der Zwischenzeit ein Bier besorgt und wir wollen Pizza essen...Ich will, Ich will, Ich will...aber wir wollen auch auf die anderen warten. Die sind noch nicht da. Die heiße Dusche lässt mich irgendwie gar nicht wieder raus. Bei jeder Bewegung schmerzt der ganze Körper. Ein genauer Punkt lässt sich nicht definieren. Alles ist Schmerz. Insbesondere die riesige Blase unter meinem rechten Fuß. Ich hatte bergab das Gefühl, dass Blut aus meinem Schuh laufen müsste. Ich habe mich ab und an umgedreht um zu schauen ob ich Spuren hinterlasse. Den Schmerz hatte ich allerdings wohl irgendwie verdrängt.

Als Dominik und Sven ca. 2 Stunden nach mir ins Ziel laufen, haben die Pizzerien leider alle schon zu. Das Bier habe ich immer noch nicht geschafft. Die Nahrungsauswahl auf dem Gelände ist nicht besonders groß. Thorsten und ich fahren nach Garmisch zum schottischstämmigen Amerikaner. Ich kriege jedoch kaum etwas runter. Ich will einfach nur liegen.
Bei unserer Rückkehr trifft auch Thorsten Waldmann ein. Auch er ist noch im 17 Stunden Zeitlimit des Veranstalters geblieben.

Zugspitze in Flammen...so sah das Ganze dann von unten aus...Traumhaft


Wir sind uns alle einig, dass das erstmal nicht zu toppen sein wird. Nächstes Jahr ganz sicher wieder. Insgeheim habe ich mich für 2013 allerdings schon mit der Ultrastrecke auseinandergesetzt. Ich will so einen Rucksack und das rote Shirt und das bekomme ich auch. Ich bin mir sicher, dass es unheimlich hart wird und die Nummer mit dem "Im Hellen ankommen" ist da auch sehr fraglich. Egal. Der Start ist ziemlich sicher.

Downhill, schneller als das Licht


Ein großartiger Tag!
Danke Mr. T.
Den Gipfel bildete dann das Werbevideo des Veranstalters wo ich mit Thorsten beim Downhill imSonnenuntergang und beim Abklatschen mit den Kids bei ca. 1:22 zu sehen bin. Die Szene wäre mir ganz sicher auch ohne das Video im Gedächtnis geblieben. Einfach toll.
Achtung! Das Ansehen des Videos beinhaltet die große Gefahr von Nachahmungswut!

Veranstaltungsvideo Zugspitz Ultratrail 2012

Mit sportlichen Grüßen, Euer Matze

1 Kommentar:

  1. Danke für die Blumen und diesen tollen Bericht.

    Vier Monate nach dem Supertrail bin ich ihn eben noch einmal gelaufen...coole Sache.
    Das Wort "Foodstation" hat sich sicherlich auf Ewigkeiten in meinen Kopf gebrannt.
    2013 bin ich leider nicht dabei, terminlich passt mir es nicht, aber vielleicht sehen wir uns ja auf einem anderen Event.

    Viele Grüße

    Steve

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