Beim Aufwachen stelle ich fest, dass
ich heute 34 Jahre alt werde.
Ich fühle mich gut, habe frei und beschließe meine Lebensjahre heute abzulaufen. Jedes Einzelne.
Ich fühle mich gut, habe frei und beschließe meine Lebensjahre heute abzulaufen. Jedes Einzelne.
Michael Neumann und seine Frau Susanne,
beides auch Cabanauten, organisieren mit ihrer Agentur „Indie Trail“ Ultralaufveranstaltungen und andere verrückte Läufe. Die
beiden haben eine superschöne Trailstrecke im Harz direkt vor meiner
Haustür für einen ihrer Ultraläufe herausgesucht. Den
Eulenburgtrail. Gestartet wird jedes Jahr am Vatertag. Eine Runde
sind 32 km mit 1111 hm. Von mir zu Hause wird das schon passen mit
den 34...also los.
Die Jungs beim Eulenburgtrail laufen
die Strecke 5 mal hintereinander am Stück. Reden wir lieber nicht
darüber:-) Ich war am Vatertag als Zuschauer da. Die Läufer schauen
dich nach 96 km an und sehen aus als würden sie jetzt erst starten. Eine Gpx-Datei der Strecke ist auf der Homepage hinterlegt und ich kann sie nur wärmstens empfehlen..
Es geht erstmal 11,5 km ausschließlich
bergan. Laufen erscheint auf dem nassen Untergrund des „Nassen
Weges“ zur Hanskühnenburg teilweise unmöglich. Nach gut 1:20 bin
ich oben und genehmige mir in der HK einen heißen Pfefferminztee.
Hier oben sind lausige 8 Grad und es ist wie immer feucht und windig.
Wieder runter über einen tollen Trail zur Vorsperre der
Sösetalsperre und auf der anderen Seite ebenfalls einen Trail wieder
3 km rauf. Es geht über Forstwege weiter, bergauf und bergauf und
bergauf. Die restlichen 10 km sind ein trailiges steiles Auf und Ab
wie man es sich nur wünschen kann, rechts und links der Ortschaft
Lerbach.
Wieder zu Hause folgt ein Blick auf das
GPS. 33,6 km. Naja...ich fühle mich ja jetzt auch nur wie 33,6
Jahre...reicht also...kurzer Saunagang im Studio und der Körper ist
wieder mein Freund....ich überlege mir allerdings ernsthaft, ob ich wirklich die avisierten 101 Jahre alt werden will???
Am nächsten Tag bekomme ich die
Quittung für die lange Pause auf der Burg, die ich natürlich leicht
fröstelnd im Freien verbringen musste, bin ja so ein Outdoortyp. Ich
bin erkältet. Schei...., das kann ich überhaupt nicht gebrauchen, für´s Kranksein habe ich generell keine Zeit.
Am nächsten Wochenende soll doch der Harzer Keiler Run starten. Ein 21 km Extremcrosslauf direkt vor meiner
Haustür. Das geht gar nicht da nicht mitzumachen!
Ich gebe meinen Körper 2 Tage Zeit die
Erkältung loszuwerden. Der denkt aber nicht daran, sondern bleibt
stur krank und wird kränker. Ich bin die ganze Woche auf Fortbildung und
brauche mich somit um Sport eh nicht zu kümmern. Lange Arbeiten,
viel schlafen. Hilft aber nicht.
Am Donnerstag beschließe ich mit einem
Funken Vernunft, am Sonntag nicht zu starten. Ich stelle meinen
Startplatz bei Facebook zur Verfügung. Es kommen ein paar Anfragen,
was er koste. Meine Antwort besteht aus einem: „Nix. Den hab ich
bezahlt und stell ihn zur Verfügung. Hauptsache das Shirt in XS
passt dir auch.“
Die Antworten darauf sind
ausschließlich verwundert. Warum? Egal.
Freitags geht es mir einigermaßen gut.
Startplatz ist noch nicht weg. Hmmm...Vernunft? Auch weg:-).
Dominik ruft mich an und ich verspreche
ihm beim Bau eines Hindernisses und Aufbau der Umzugszelte für den
Keilerrun zu helfen. Ich bin zwar die ganze Woche nicht da aber
irgendwie scheint niemand sonst genau dafür Zeit zu haben. Mach ich
doch gern, 2 Stunden hab ich sicher.
Als ich ankomme, ist das Hindernis
bereits fertig. Eine Flussdurchquerung mit einem Seil gesichert,
anschließend ein Kletterhindernis und direkt danach ein Kriechtunnel
mit ´ner Menge Brennnesseln. Ich brauche nicht zu erwähnen was
dieser Anblick bei mir auslöst: Rein, durch, hoch, runter, durch,
Woohooo brüllen!
Beim Zeltaufbau erzählen mir Sven und
Dominik vom 24 Stunden-Lauf in München am Wochenende zuvor. Sie
seien mit 2 weiteren Läufern völlig ohne Plan da hingefahren,
hätten jeder ca. 60 km gelaufen im Olympiapark und seien in der
Gesamtwertung dann 2. geworden. NEID!!! Wo war ich? Ach ja...bin ja
immer noch krank.
Die beiden setzen noch einen drauf. Sie erzählen mir, dass beide am nächsten
Wochenende den Zugspitz Ultratrail laufen wollen. Mehr NEID. Zwar nur
die „Bambini-Strecke“, 68,8 km mit 3600 hm, aber trotzdem
unglaublich. Die Augen leuchten.
Ich hatte mit Sven darüber letztes
Jahr gesprochen, es allerdings für mich abgelehnt. Dieses Jahr wollt
ich mich lieber auf den Triathlon im Juli konzentrieren. Selber Schuld.
Ich
gebe Dominik noch mit auf den Weg, dass er mich anrufen soll, wenn
jemand absagt. Ich hätte das Wochenende ja eh frei. Mit einem
Lächeln quittieren wir beide diese Übereinkunft. Ich glaube, ernst
nimmt das keiner von uns...oder doch?.
Samstag morgen. Der Körper gibt mir
nochmal die volle Breitseite der Erkältung. Ich liege endgültig
flach. Der Baum wurde gefällt. Kopf, Hals, Körper, Augen, Nase,
selbst die Füße tun weh. Die Idee morgen zu starten ist erledigt.
Den Start des Keilerruns am Sonntag um 11 warte ich
bei einem langen Frühstück ab. Um Punkt 11 fahre ich zu Hause erst
los, damit ich nicht weine, wenn meine ganzen Freunde sich diesen
saumäßigen Spaß gönnen.
An der Strecke sehe ich sofort viele Bekannte
unter den Zuschauern. „Warum läufst du denn nicht?“, „Was
machst du denn hier ohne Laufsachen?“, „Bist du schon
fertig?“...Ich kann kaum laufen, so schlecht geht es mir aber ich
will Olaf und Thorsten wenigstens mal sehen...also an die Strecke.
Auf dem Weg zum schönsten Hindernis
kommt mir mein Olaf entgegen. Er ist patschnass, er blutet am Bein,
schaut wie immer tödlich verbissen und grimmig und zeigt mir mit
diesem Todesblick wie sehr er sich freut mich zu sehen. Ich werde
umarmt. Er stinkt nach Jauche und toten Tieren...Danke, ich jetzt
auch. Bis gleich, 2 Runden muss er noch:-)...auch wenn es irgendwie schräg klingt, ich bin neidisch auf diesen Geruch.
Zwischen ein paar Fischteichen ist ein
Wasserhindernis aufgebaut. Über einen hüfttiefen, ca. 100 m langen
schlammgefüllten Graben müssen die Teilnehmer über eine Leiter ein
ca. 2 m hohes Podest erklimmen. Von dem springt man in einen
Fischteich, dann in den nächsten, taucht unter 2 Baumstämmen durch,
schwimmt noch ein paar Meter und kann dann weiterlaufen nachdem man
noch über eine 2 m hohe Wand geklettert ist. Hier stehen eine Menge
Zuschauer und jetzt auch ich. Der einzige Unterschied ist: Bei mir
fehlt das Krombacher und die Bratwurst in der Hand.
Ich sehe Peter Brause und Lana
Rockmann, zwei Cabanauten, in Deutschlandfan-Montur und Strapsen
durch den Schlamm auf mich zurobben. Woohooo...schön euch zu
sehen...und noch so viele andere bekannte Gesichter.
Dann kommt Thorsten. Ein tolles Bild
noch auf dem Podest und dann wirft er sich brüllend in die Fluten.
Kurzer Tränenanflug, warum mache ich doch gleich nicht
mit???...Terminator-Statusabfrage im Körper. Ergebnis: Geht einfach gar
nicht...roter Bildschirm.
Als Olaf kurze Zeit später kommt,
laufe ich mit ihm 500 m mit. Danach ist meine gesamte Energie
aufgebraucht und die Brennstoffzelle leuchtet rot auf. O.K....wandern
bis ins Ziel.
Thorsten und Olaf sind beide sehr weit
vorn gelandet. Mit mir wären wir in der Teamwertung direkt hinter
dem GettingTough-Team auf dem zweiten Platz gelandet.
Alle noch einmal gedrückt und dann
Abreise. Nächstes Mal ganz sicher.
Auf dem Parkplatz seh ich dann noch den
Teamcaptain vom GettingTough-Team. Den Kallinator, noch ein Michael.
Ein Facebook-Freund ohne ihn bislang persönlich zu kennen. Eine
Maschine. Auch Polizist, wie sich bei einem Gespräch herausstellt,
wir werden uns ganz sicher noch oft sehen. Spätestens am 01.12. beim gettingtough-race .
Dienstag morgen, kurz vor acht, im
Büro. Das iPhone macht auf sich aufmerksam und das Photo von Dominik
erscheint auf dem Bildschirm.
Kurzer Körpercheck: „Noch nicht viel
besser aber für´s weiter krank sein ist keine Zeit.“Check.
Ich nehme ab und sage als allererstes:
„Ja, ich bin dabei!“ Dann erst kommt ein „Hallo“.
Ich hatte
recht mit dem Anruf. Ich soll mit zur Zugspitze. Es ist alles
bezahlt, Hotel ist gebucht, alles steht, Donnerstag geht’s los.
Donnerstag und Freitag wird
Überstundenabbau vereinbart und dann ruf ich Thorsten an. Ich
versuche ihn wirklich zu überreden mit mir mitzulaufen. Aber ich
bleibe erfolglos. Begleitung wird mir allerdings widerstandslos
zugesichert. Er kommt also mit. Als moralische Stütze, die ich ganz
sicher brauchen werde.
Donnerstag ist Abfahrt. Die Zugspitze
ruft. Treffen wollen wir uns in unserem Urlaubsrefugium „aufatmen“
in Leutasch auf der österreichischen Seite des Wettersteingebirges.
Ein Yoga-Hotel in dem man einfach mal „sein“ soll. ...ich bin
sehr gespannt...
Vor Ort sind bereits Thorsten W., Sven
und Dominik.
Wir beide treffen gegen 23.00 Uhr ein und beziehen
unseren „grünen“ Raum, der uns noch ein bisschen mehr aufatmen
lassen soll. Die anderen haben einen „gelben“ Raum. Der
beeinflusst ganz sicher den Energiefluss auch sehr positiv.
Wasser gibt es aus einer Karaffe voll
mit Amethystgestein. Auch dieses dient der Mineralstoffaufnahme
inklusive positiver Energie....aha...Bei mir wirkt das dann ungefähr
so als wenn man Kerosin in ein Feuer schüttet...Mir geht es immer
noch nicht gut aber jetzt wird erstmal geschlafen. Ich verspreche
weiterhin nur zu laufen wenn ich wirklich gesund bin.
Das Frühstück ist ´ne Wucht. Es gibt
Jentschura´s Morgenstund, frisch aufgekocht mit frisch klein
geschnittenen Früchten. Dazu ein Ei der Wahl, eine riesige
Käseauswahl und natürlich Kieselsteinwasser in allen
Energierichtungen. Ich wähle „Kraft“ und „Stärke“ ( wie war
das mit dem Kerosin??? ) und bin äußerst zufrieden mit meiner
Entscheidung hier her zu fahren.
Die jungen Herbergsinhaber setzen
sich mit an den Frühstückstisch und fragen ehrlich
interessiert unsere Motivation zu diesem Lauf ab. Wir sind
einhellig der Meinung, dass allein der Lauf selbst schon Motivation
bedeutet.
Die Jungs sind supernett und es kommt
natürlich die Frage: „Was hast du dir vorgenommen?“
Meine
Antwort heißt: „Überleben!“ Ohne Training und mit der Erkältung
steh ich noch eher vor der Entscheidung überhaupt zu
laufen...abwarten.
Monster: v.l.n.r.: Me, Der Zugspitzrunner, Dominik, Thorsten W., Sven W. |
Erstmal schauen wir uns den Rest der
Pension hier an. Der absolute Hammer. Alles neu und superschön.
Ökologisch, ökonomisch und auch noch nett. Eine Erdsauna und ein
traumhafter Saunagarten runden das Refugium komplett ab.
Direkt
nebenan hat ein Biobauer ein Restaurant aufgemacht. Hier ist
ebenfalls alles sehr natürlich und Preis und Auswahl ganz weit vorn.
Immer wieder genau hier her bitte.
Die Akkreditierung hat Dominik schon
übernommen. Ummelden lassen wollte man mich nicht also starte ich
halt unter dem Namen des Absagers. Hallo Detlef - du warst gut:-)
Für den kleinen 5 km –
Schnuppertrail am Abend melde ich mich allerdings noch selbst unter
meinem Namen an.
Petzl Night-on-Trail. O.k....In der Pause des
EM-Spiels von Deutschland gegen ??? starten knapp 100 Trailrunner im
Dunkeln mit ihren Stirnlampen. Ein toller Lauf der echt Spaß macht. Die Strecke geht über Treppen, Hügel, Steine und Singletrails rund um Hammersbach/Grainau. Mit knapp unter 20 Minuten komm ich als 10. ins Ziel, Thorsten kurz nach mir. Die anderen drei haben sich von mir nicht überreden lassen.
Ich fühle mich gut und bin dem morgigem Lauf einen Schritt näher.
Ich fühle mich gut und bin dem morgigem Lauf einen Schritt näher.
Start des Petzl Night on Trail 5K |
Dies war ein Test
meiner Lauffunktionen. Puls blieb gut, Körper fühlt sich gut an
aber zu 100 % steht mein Start immer noch nicht fest. Ich verspreche
noch bis zum Morgen zu warten.
Mit sportlichen Grüßen, Euer Matze
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