Mittwoch, 3. Oktober 2012

Juni 2012 – Der Weg zum ersten Ultra

Zurück aus Schweden genieße ich noch 2 Tage mich endlich wieder laufend bewegen zu können und ich habe Geburtstag.
Beim Aufwachen stelle ich fest, dass ich heute 34 Jahre alt werde.
Ich fühle mich gut, habe frei und beschließe meine Lebensjahre heute abzulaufen. Jedes Einzelne.
Michael Neumann und seine Frau Susanne, beides auch Cabanauten, organisieren mit ihrer Agentur „Indie Trail“ Ultralaufveranstaltungen und andere verrückte Läufe. Die beiden haben eine superschöne Trailstrecke im Harz direkt vor meiner Haustür für einen ihrer Ultraläufe herausgesucht. Den Eulenburgtrail. Gestartet wird jedes Jahr am Vatertag. Eine Runde sind 32 km mit 1111 hm. Von mir zu Hause wird das schon passen mit den 34...also los.
Die Jungs beim Eulenburgtrail laufen die Strecke 5 mal hintereinander am Stück. Reden wir lieber nicht darüber:-) Ich war am Vatertag als Zuschauer da. Die Läufer schauen dich nach 96 km an und sehen aus als würden sie jetzt erst starten. Eine Gpx-Datei der Strecke ist auf der Homepage hinterlegt und ich kann sie nur wärmstens empfehlen..
Es geht erstmal 11,5 km ausschließlich bergan. Laufen erscheint auf dem nassen Untergrund des „Nassen Weges“ zur Hanskühnenburg teilweise unmöglich. Nach gut 1:20 bin ich oben und genehmige mir in der HK einen heißen Pfefferminztee. Hier oben sind lausige 8 Grad und es ist wie immer feucht und windig.
Ich schwöre, dass ich am Tag zuvor noch jünger aussah

Wieder runter über einen tollen Trail zur Vorsperre der Sösetalsperre und auf der anderen Seite ebenfalls einen Trail wieder 3 km rauf. Es geht über Forstwege weiter, bergauf und bergauf und bergauf. Die restlichen 10 km sind ein trailiges steiles Auf und Ab wie man es sich nur wünschen kann, rechts und links der Ortschaft Lerbach.
Wieder zu Hause folgt ein Blick auf das GPS. 33,6 km. Naja...ich fühle mich ja jetzt auch nur wie 33,6 Jahre...reicht also...kurzer Saunagang im Studio und der Körper ist wieder mein Freund....ich überlege mir allerdings ernsthaft, ob ich wirklich die avisierten 101 Jahre alt werden will???

Am nächsten Tag bekomme ich die Quittung für die lange Pause auf der Burg, die ich natürlich leicht fröstelnd im Freien verbringen musste, bin ja so ein Outdoortyp. Ich bin erkältet. Schei...., das kann ich überhaupt nicht gebrauchen, für´s Kranksein habe ich generell keine Zeit.
Am nächsten Wochenende soll doch der Harzer Keiler Run starten. Ein 21 km Extremcrosslauf direkt vor meiner Haustür. Das geht gar nicht da nicht mitzumachen!
Ich gebe meinen Körper 2 Tage Zeit die Erkältung loszuwerden. Der denkt aber nicht daran, sondern bleibt stur krank und wird kränker. Ich bin die ganze Woche auf Fortbildung und brauche mich somit um Sport eh nicht zu kümmern. Lange Arbeiten, viel schlafen. Hilft aber nicht.
Am Donnerstag beschließe ich mit einem Funken Vernunft, am Sonntag nicht zu starten. Ich stelle meinen Startplatz bei Facebook zur Verfügung. Es kommen ein paar Anfragen, was er koste. Meine Antwort besteht aus einem: „Nix. Den hab ich bezahlt und stell ihn zur Verfügung. Hauptsache das Shirt in XS passt dir auch.“
Die Antworten darauf sind ausschließlich verwundert. Warum? Egal.

Freitags geht es mir einigermaßen gut. Startplatz ist noch nicht weg. Hmmm...Vernunft? Auch weg:-).
Dominik ruft mich an und ich verspreche ihm beim Bau eines Hindernisses und Aufbau der Umzugszelte für den Keilerrun zu helfen. Ich bin zwar die ganze Woche nicht da aber irgendwie scheint niemand sonst genau dafür Zeit zu haben. Mach ich doch gern, 2 Stunden hab ich sicher.
Als ich ankomme, ist das Hindernis bereits fertig. Eine Flussdurchquerung mit einem Seil gesichert, anschließend ein Kletterhindernis und direkt danach ein Kriechtunnel mit ´ner Menge Brennnesseln. Ich brauche nicht zu erwähnen was dieser Anblick bei mir auslöst: Rein, durch, hoch, runter, durch, Woohooo brüllen!
Beim Zeltaufbau erzählen mir Sven und Dominik vom 24 Stunden-Lauf in München am Wochenende zuvor. Sie seien mit 2 weiteren Läufern völlig ohne Plan da hingefahren, hätten jeder ca. 60 km gelaufen im Olympiapark und seien in der Gesamtwertung dann 2. geworden. NEID!!! Wo war ich? Ach ja...bin ja immer noch krank.
Die beiden setzen noch einen drauf. Sie erzählen mir, dass beide am nächsten Wochenende den Zugspitz Ultratrail laufen wollen. Mehr NEID. Zwar nur die „Bambini-Strecke“, 68,8 km mit 3600 hm, aber trotzdem unglaublich. Die Augen leuchten. 
Ich hatte mit Sven darüber letztes Jahr gesprochen, es allerdings für mich abgelehnt. Dieses Jahr wollt ich mich lieber auf den Triathlon im Juli konzentrieren. Selber Schuld.
Ich gebe Dominik noch mit auf den Weg, dass er mich anrufen soll, wenn jemand absagt. Ich hätte das Wochenende ja eh frei. Mit einem Lächeln quittieren wir beide diese Übereinkunft. Ich glaube, ernst nimmt das keiner von uns...oder doch?.

Samstag morgen. Der Körper gibt mir nochmal die volle Breitseite der Erkältung. Ich liege endgültig flach. Der Baum wurde gefällt. Kopf, Hals, Körper, Augen, Nase, selbst die Füße tun weh. Die Idee morgen zu starten ist erledigt.
Den Start des Keilerruns am Sonntag um 11 warte ich bei einem langen Frühstück ab. Um Punkt 11 fahre ich zu Hause erst los, damit ich nicht weine, wenn meine ganzen Freunde sich diesen saumäßigen Spaß gönnen.
An der Strecke sehe ich sofort viele Bekannte unter den Zuschauern. „Warum läufst du denn nicht?“, „Was machst du denn hier ohne Laufsachen?“, „Bist du schon fertig?“...Ich kann kaum laufen, so schlecht geht es mir aber ich will Olaf und Thorsten wenigstens mal sehen...also an die Strecke.
Auf dem Weg zum schönsten Hindernis kommt mir mein Olaf entgegen. Er ist patschnass, er blutet am Bein, schaut wie immer tödlich verbissen und grimmig und zeigt mir mit diesem Todesblick wie sehr er sich freut mich zu sehen. Ich werde umarmt. Er stinkt nach Jauche und toten Tieren...Danke, ich jetzt auch. Bis gleich, 2 Runden muss er noch:-)...auch wenn es irgendwie schräg klingt, ich bin neidisch auf diesen Geruch.
Zwischen ein paar Fischteichen ist ein Wasserhindernis aufgebaut. Über einen hüfttiefen, ca. 100 m langen schlammgefüllten Graben müssen die Teilnehmer über eine Leiter ein ca. 2 m hohes Podest erklimmen. Von dem springt man in einen Fischteich, dann in den nächsten, taucht unter 2 Baumstämmen durch, schwimmt noch ein paar Meter und kann dann weiterlaufen nachdem man noch über eine 2 m hohe Wand geklettert ist. Hier stehen eine Menge Zuschauer und jetzt auch ich. Der einzige Unterschied ist: Bei mir fehlt das Krombacher und die Bratwurst in der Hand.
Ich sehe Peter Brause und Lana Rockmann, zwei Cabanauten, in Deutschlandfan-Montur und Strapsen durch den Schlamm auf mich zurobben. Woohooo...schön euch zu sehen...und noch so viele andere bekannte Gesichter.
Dann kommt Thorsten. Ein tolles Bild noch auf dem Podest und dann wirft er sich brüllend in die Fluten. 

Kurzer Tränenanflug, warum mache ich doch gleich nicht mit???...Terminator-Statusabfrage im Körper. Ergebnis: Geht einfach gar nicht...roter Bildschirm.
Als Olaf kurze Zeit später kommt, laufe ich mit ihm 500 m mit. Danach ist meine gesamte Energie aufgebraucht und die Brennstoffzelle leuchtet rot auf. O.K....wandern bis ins Ziel.
Thorsten und Olaf sind beide sehr weit vorn gelandet. Mit mir wären wir in der Teamwertung direkt hinter dem GettingTough-Team auf dem zweiten Platz gelandet. 
Alle noch einmal gedrückt und dann Abreise. Nächstes Mal ganz sicher.

Auf dem Parkplatz seh ich dann noch den Teamcaptain vom GettingTough-Team. Den Kallinator, noch ein Michael. Ein Facebook-Freund ohne ihn bislang persönlich zu kennen. Eine Maschine. Auch Polizist, wie sich bei einem Gespräch herausstellt, wir werden uns ganz sicher noch oft sehen. Spätestens am 01.12. beim gettingtough-race .

Dienstag morgen, kurz vor acht, im Büro. Das iPhone macht auf sich aufmerksam und das Photo von Dominik erscheint auf dem Bildschirm.
Kurzer Körpercheck: „Noch nicht viel besser aber für´s weiter krank sein ist keine Zeit.“Check.
Ich nehme ab und sage als allererstes: „Ja, ich bin dabei!“ Dann erst kommt ein „Hallo“. 
Ich hatte recht mit dem Anruf. Ich soll mit zur Zugspitze. Es ist alles bezahlt, Hotel ist gebucht, alles steht, Donnerstag geht’s los.
Donnerstag und Freitag wird Überstundenabbau vereinbart und dann ruf ich Thorsten an. Ich versuche ihn wirklich zu überreden mit mir mitzulaufen. Aber ich bleibe erfolglos. Begleitung wird mir allerdings widerstandslos zugesichert. Er kommt also mit. Als moralische Stütze, die ich ganz sicher brauchen werde.

Donnerstag ist Abfahrt. Die Zugspitze ruft. Treffen wollen wir uns in unserem Urlaubsrefugium „aufatmen“ in Leutasch auf der österreichischen Seite des Wettersteingebirges. Ein Yoga-Hotel in dem man einfach mal „sein“ soll. ...ich bin sehr gespannt...
Vor Ort sind bereits Thorsten W., Sven und Dominik. 
Wir beide treffen gegen 23.00 Uhr ein und beziehen unseren „grünen“ Raum, der uns noch ein bisschen mehr aufatmen lassen soll. Die anderen haben einen „gelben“ Raum. Der beeinflusst ganz sicher den Energiefluss auch sehr positiv.
Wasser gibt es aus einer Karaffe voll mit Amethystgestein. Auch dieses dient der Mineralstoffaufnahme inklusive positiver Energie....aha...Bei mir wirkt das dann ungefähr so als wenn man Kerosin in ein Feuer schüttet...Mir geht es immer noch nicht gut aber jetzt wird erstmal geschlafen. Ich verspreche weiterhin nur zu laufen wenn ich wirklich gesund bin.
Das Frühstück ist ´ne Wucht. Es gibt Jentschura´s Morgenstund, frisch aufgekocht mit frisch klein geschnittenen Früchten. Dazu ein Ei der Wahl, eine riesige Käseauswahl und natürlich Kieselsteinwasser in allen Energierichtungen. Ich wähle „Kraft“ und „Stärke“ ( wie war das mit dem Kerosin??? ) und bin äußerst zufrieden mit meiner Entscheidung hier her zu fahren. 
Die jungen Herbergsinhaber setzen sich mit an den Frühstückstisch und fragen ehrlich interessiert  unsere Motivation zu diesem Lauf ab. Wir sind einhellig der Meinung, dass allein der Lauf selbst schon Motivation bedeutet.
Die Jungs sind supernett und es kommt natürlich die Frage: „Was hast du dir vorgenommen?“ 
Meine Antwort heißt: „Überleben!“ Ohne Training und mit der Erkältung steh ich noch eher vor der Entscheidung überhaupt zu laufen...abwarten.
Monster: v.l.n.r.: Me, Der Zugspitzrunner, Dominik, Thorsten W., Sven W.

Erstmal schauen wir uns den Rest der Pension hier an. Der absolute Hammer. Alles neu und superschön. Ökologisch, ökonomisch und auch noch nett. Eine Erdsauna und ein traumhafter Saunagarten runden das Refugium komplett ab. 
Direkt nebenan hat ein Biobauer ein Restaurant aufgemacht. Hier ist ebenfalls alles sehr natürlich und Preis und Auswahl ganz weit vorn. Immer wieder genau hier her bitte.
Die Akkreditierung hat Dominik schon übernommen. Ummelden lassen wollte man mich nicht also starte ich halt unter dem Namen des Absagers. Hallo Detlef - du warst gut:-)

Für den kleinen 5 km – Schnuppertrail am Abend melde ich mich allerdings noch selbst unter meinem Namen an. 
Petzl Night-on-Trail. O.k....In der Pause des EM-Spiels von Deutschland gegen ??? starten knapp 100 Trailrunner im Dunkeln mit ihren Stirnlampen. Ein toller Lauf der echt Spaß macht. Die Strecke geht über Treppen, Hügel, Steine und Singletrails rund um Hammersbach/Grainau. Mit knapp unter 20 Minuten komm ich als 10. ins Ziel, Thorsten kurz nach mir. Die anderen drei haben sich von mir nicht überreden lassen.
Ich  fühle mich gut und bin dem morgigem Lauf einen Schritt näher. 
Start des Petzl Night on Trail 5K

Dies war ein Test meiner Lauffunktionen. Puls blieb gut, Körper fühlt sich gut an aber zu 100 % steht mein Start immer noch nicht fest. Ich verspreche noch bis zum Morgen zu warten.

Mit sportlichen Grüßen, Euer Matze

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